Die Literaturseite von Eckart Winkler
Das gefaltete Klopapier

 

Und wieder gibt es eine neue Erfindung. Ja, die Zeit schreitet voran! Das gefaltete Klopapier. Eine geniale Idee, frage mich bloß, wer auf so was kommt. Da gibt es jahrhundertelang das Klopapier in Rollen, und jetzt soll es plötzlich nicht aufgerollt, sondern gefaltet sein??! Komisch, komisch!

Da macht man sich sein ganzes Leben lang überhaupt keine Gedanken über so was. Klopapier gehört einfach auf die Rolle. Das ist so, und das bleibt auch so. Ich jedenfalls wäre nie auf den Gedanken gekommen, deswegen eine Revolution anzufachen. Nein, deswegen auf keinen Fall.

Aber da kommt nun irgendso ein Typ daher und meint, zur Verringerung der Transport- und Lagerkosten solle das Klopapier nicht mehr aufgerollt, sondern gefaltet werden. Er meint, der Raum in der Mitte der Klopapierrolle sei leer und daher verschenkter Raum. Dieser Raum könne nur genutzt werden, wenn das Klopapier nicht mehr gerollt, sondern gefaltet wird.

Und er hat gleich eine Methode mitgeliefert, wie die Hersteller beim Falten vorgehen sollten. Wahrscheinlich hat er das zum Patent angemeldet und will nun die Kohle scheffeln. Da muß dann wahrscheinlich auf jede Packung draufgeschrieben werden: Nach der Patentfaltmethode von Dr.Schmidtmüller oder wie auch immer der Kerl heißt. Zehn Prozent weniger Raum soll das Klopapier nach dieser Methode jedenfalls einnehmen. Absolut ökonomisch.

Also, wenn man mich fragt, würde ich doch lieber bei der Klopapierrolle bleiben. Das ist ein Gegenstand, den man in Jahrzehnten liebgewonnen hat, und wer möchte so ohne weiteres darauf verzichten? Ich nicht, und vermutlich werden viele genauso denken. Und außerdem gibt es da noch einige Nachteile, die nicht so einfach wegdiskutiert werden können.

Hat der zum Beispiel bedacht, daß sämtliche Klopapierhalter in Deutschland, ja, in der ganzen Welt, mit einem Schlag wertlos würden? Welch gewaltiger Müllberg käme da auf uns zu, ein Müllberg von Millionen gebrauchter Klopapierhalter. Nein, nein, das können wir uns gar nicht leisten.

Und jeder braucht einen neuen Klopapierhalter, einen für gefaltetes Klopapier. Was das für Investitionen bedeuten würde! Darüber macht der sich ja gar keine Vorstellungen! Nun gut, die Wirtschaft würde angekurbelt, zugegeben. Aber nicht jeder würde sich gleich einen neuen Klopapierhalter leisten können. Ein Fabrikarbeiter mit Frau und drei Kindern beispielsweise. Hat gerade die letzte Rate für seinen Klopapierhalter bezahlt, und der soll nun unbrauchbar sein? Nein, so etwas von sozial ungerecht! Das ist unverantwortlich, das kann man einfach nicht machen!

Und wie soll ein Halter für das gefaltete Klopapier überhaupt aussehen? Wahrscheinlich hat der Typ auch dafür ein Patent entwickelt und will jetzt Kohle sehen. Oder soll man das Klopapier gefaltet kaufen und muß es dann selbst aufrollen?

Also, ich weiß wirklich nicht, wie das jetzt weitergehen soll. Auf jeden Fall gehe ich morgen in den Supermarkt und decke mich mit Klopapierrollen ein. Sollen die doch machen, was sie wollen. Bei einem sparsamen Verbrauch von, sagen wir, zwei Rollen pro Monat, brauche ich 24 Rollen pro Jahr. In 50 Jahren wären das 1200 Rollen. Das muß genügen. Bis ich die verbraucht habe, bin ich längst im Altersheim und lasse mir den Hintern abputzen. Dann muß ich mich um solche Fragen gar nicht mehr kümmern.

 
Eckart Winkler, Bad Nauheim, Januar 1995, www.eckart-winkler.de

Übersicht