Die Literaturseite von Eckart Winkler
Interview mit Herrn Dr.K zum drohenden Irak-Krieg

 

Frage: Herr Dr.K, eine direkte Frage zu Beginn: Wird es Krieg im Irak geben?

Herr Dr.K: Ich bin kein Prophet und weiß daher nicht, was passieren wird. Zur Zeit stehen die Zeichen aber auf Krieg, das scheint klar zu sein.

Frage: Und er läßt sich nicht vermeiden?

Herr Dr.K: Jeder Krieg läßt sich vermeiden. Natürlich muß der Wille hierzu da sein.

Frage: Die Menschen in Europa wollen keinen Krieg.

Herr Dr.K: Natürlich nicht. Wenn Sie jemanden fragen, ob er Krieg will oder nicht, wird er immer sagen nein. Leider wird in der Öffentlichkeit die ganze Situation auf diese eine Frage reduziert, und das ist nicht angemessen.

Frage: Was schlagen Sie vor?

Herr Dr.K: Man sollte die Frage "Krieg oder nicht Krieg" aus dem Fokus nehmen und vielmehr das Ziel in den Mittelpunkt stellen, das man sich durch die UN-Resolution 1441 gemeinsam gesetzt hat. Und das ist die Entwaffnung des Irak.

Frage: Und wie geht es dann weiter?

Herr Dr.K: Wenn über das Ziel wirklich Einigkeit besteht, kann man über den Weg diskutieren, wie dieses Ziel zu erreichen ist.

Frage: Aber das wird doch getan.

Herr Dr.K: Wirklich? Wo gibt es denn hier eine ernsthafte Diskussion? Die Standpunkte, die vertreten werden, entstammen zum größten Teil puren Eigeninteressen. Sie tragen wenig zur Erreichung des Ziels bei.

Frage: Sie meinen Deutschland und Amerika?

Herr Dr.K: In erster Linie ja. Die verhalten sich in dieser Sache wie Idioten. Wenn man etwas erreichen will, darf man doch nicht vorher sagen, was man tut wird, ist doch klar! Stellen Sie sich mal vor, Ihr 16-jähriger Sohn ist zu spät aus der Disco nach Hause gekommen. Die Eltern sagen ihm nun, wehe, wenn das noch mal passiert. Aber gleichzeitig sagt die Mutter, dir passiert sowieso nichts. Und der Vater sagt, du bekommst sowieso eine Tracht Prügel.

Frage: Und der Vater ist in diesem Fall Amerika, die Mutter Deutschland.

Herr Dr.K: Richtig. Aber die Frage ist doch, wird der Sohn beim nächsten Mal pünktlich aus der Disco nach Hause kommen? Ich glaube kaum. Insofern sind doch die Standpunkte beider Länder ungeeignet zur Erreichung des Ziels. Man muß dem Sohn bzw. dem Irak und in Person Saddam Hussein doch einen Spielraum lassen, innerhalb dessen er Einfluß auf die Konsequenzen nehmen kann. Doch weder Deutschland noch die USA zeigen einen Spielraum auf, sondern haben sich schon lange festgelegt.

Frage: Sehen Sie denn einen Krieg als mögliche Alternative?

Herr Dr.K: Ich möchte hier gar nicht für mich sprechen. Aber es muß doch jeder der Beteiligten mal Farbe bekennen. So viele verschiedene Standpunkte gibt es ja gar nicht: Entweder ich möchte den Irak unter allen Umständen entwaffnen. Dann kann es sein, daß ich irgendwann ohne Gewalt gar nicht mehr auskomme, weil sich Saddam Hussein ohne Gewalt nicht entwaffnen lassen will. Oder ich sage, ich versuche, den Irak zu entwaffnen, so weit es möglich ist, aber einen Krieg will ich nicht. Dann kann es sein, daß ich die Entwaffnung eben nicht bewerkstellige. Dann kann ich wirklich nur noch warten, bis Saddam Hussein eines natürlichen Todes stirbt! Welchen Standpunkt ich auch immer einnehme: Wenn es um Krieg geht, muß die letzte Entscheidung bei der UN liegen. Alles andere ist für mich nicht akzeptabel.

Frage: Und was ist mit der berühmten "Drohgebärde"?

Herr Dr.K: Die gehört natürlich dazu. Man muß Saddam Hussein die Alternative "Krieg" deutlich aufzuzeigen. Ohne diese lacht er sich doch nur ins Fäustchen. Aber auch hier sollte es nur gemeinsam gehen. Alleingänge sollte es nicht geben.

Frage: Einen Alleingang, wie er von den USA erwartet wird...?

Herr Dr.K: Die Vereingten Staaten sind entschlossen, einen Angriffskrieg ohne Legitimation durch die UN zu führen, und das darf nicht sein. Darüber hinaus führen sie sich gegenüber Deutschland und all denen, die ihnen nicht folgen wollen, auf wie ein beleidigter Teenager, dessen jüngerer Bruder nicht das tut, was er will. Einige Dinge, die man da aus dem Land der "unbegrenzten Möglichkeiten" hört, spotten jeder Beschreibung.

Frage: Was meinen Sie da?

Herr Dr.K: French Fries werden in Freedom Fries umbenannt, das kann man nur lächerlich nennen. Deutsche und Franzosen werden angefeindet und vieles mehr. Wenn den Amerikanern die Meinung anderer nicht paßt, sollten sie darüber diskutieren und nicht so tun, als gäbe es nur die eine, nämlich die ihre, und alle anderen wären Idioten. Wirklich: Ich vermisse hier einen echten Dialog. Dieses ewige "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" hat in der Weltgemeinschaft absolut keine Berechtigung. Man muß schon jedem Land seinen eigenen Standpunkt zubilligen.

Frage: Aber...?

Herr Dr.K: ...der Standpunkt muß auch glaubhaft sein. Im Falle Deutschland hat man den nicht von der Hand zu weisenden Eindruck, er sei allein aus wahlkampftaktischen Gründen entstanden.

Frage: Das sagen vor allem die Schröder-Gegner.

Herr Dr.K: Natürlich sagen vor allem die das. Sie sagen es aber auch aus gutem Grund. Denn Schröder, der sicher ein gutes Gespür dafür hat, was das Volk denkt, hat sich für diesen Standpunkt bereits zu einem Zeitpunkt entschieden, als noch gar kein Anlaß bestand, sich derart festzulegen. Damit hat er die Bundestagswahl gewonnen.

Frage: Und dies fällt ihm jetzt auf die Füße?!

Herr Dr.K: Nicht nur ihm. Es fällt ganz Deutschland auf die Füße. Aber Schröder kann jetzt nicht mehr zurück, ohne das Gesicht zu verlieren.

Frage: Welche Rolle spielt das Öl?

Herr Dr.K: Der Wert des irakischen Öls ist natürlich unermeßlich. Es kann ein netter Nebeneffekt sein. Es könnte auch der Hauptgrund sein. Aber auch dies ist nur Spekulation. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, daß die Amerikaner nach einem Ende des Krieges das Öl Öl sein lassen und einfach nach Hause fahren.

Frage: Welches Spiel spielt Saddam Hussein?

Herr Dr.K: Saddam ist ein Diktator, der die irakischen Menschen unterdrückt. Er will sich nicht ins Exil schicken lassen, er will natürlich auch keinen Krieg. Beides würde das Ende seiner Macht bedeuten. Mit der Entwaffnung alleine wollen es die USA offenbar nicht bewenden lassen. Hier hat Saddam aber eine Möglichkeit, um es zumindest der UN rechtzumachen. Und das tut er scheibchenweise. Sein Motto: Immer mal wieder eine Rakete zerstören, dann sind die schon zufrieden. Und ich gewinne Zeit. Wie lange er dieses Spiel noch spielen kann, ist allerdings fraglich. Denn, wie gesagt, die USA würden ja lieber heute als morgen zuschlagen.

Frage: Hat die UN überhaupt eine Chance, die USA davon abzuhalten?

Herr Dr.K: Wie denn? Ich befürchte, die UN wird neben dem Irak der andere große Verlierer der ganzen Sache sein. Aber nicht erst dann: Denn die USA haben schon vielfach darauf hingewiesen, daß ihnen die UN egal ist. Sie gehen sogar so weit zu behaupten, die Kriegsgegner könnten etwas zur Rettung der UN tun, indem sie nämlich im Sicherheitsrat den USA zustimmen. Das ist äußerst zynisch. Aber eben typisch...

Frage: Herr Dr.K, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

 
Eckart Winkler, Bad Nauheim, 11.März 2003, www.eckart-winkler.de

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